Gilles Roth: "Luxemburg ist auf dem besten Weg, die digitale Benchmark für das europäische Finanzwesen zu werden"

Gilles Roth, source: Government.lu
In einem Interview mit Paperjam.lu erläuterte der luxemburgische Finanzminister Gilles Roth den strategischen Kurs, den das Land angesichts des technologischen Wandels und der geopolitischen Herausforderungen einschlägt. Seine Position ist eindeutig: Dies ist ein Moment der Gelegenheit, und Luxemburg will nicht nur ein Akteur, sondern ein Pionier sein.
Unter den bereits umgesetzten Änderungen hebt Roth die Modernisierung der Expat-Regelung hervor: 50%ige Steuerbefreiung für Einkommen bis zu 400.000 € pro Jahr. Dieser Mechanismus wird besonders von Start-ups geschätzt, da er es ihnen ermöglicht, internationale Mitarbeiter anzuwerben. Die Abschaffung der Zeichnungssteuer für ETF-Fonds und eine Senkung der Körperschaftssteuer um 1 % haben ebenfalls die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt.
Am wichtigsten war aber vielleicht der Rechtsrahmen für Blockchain und Kryptowährungen, einschließlich der Anpassung der europäischen MiCA-Richtlinie. Dadurch erhielt Luxemburg regulatorische Flexibilität und Anlegerschutz.
Die Regierung arbeitet auch an der Einführung einer Steuergutschrift für Business Angels und an der Schaffung einer attraktiven Regelung für Aktienoptionen - Mitarbeiterbeteiligungen an Start-ups. Nach Ansicht des Ministers wird dies eine günstige Besteuerung von Kapitalgewinnen gewährleisten und die Motivation in der Frühphase von Projekten erhöhen.
Eine der wichtigsten Neuerungen war eine Carried-Interest-Regelung, die Fondsmanager anlocken soll. Dies ist ein wichtiger Schritt in einem zunehmend wettbewerbsorientierten europäischen Umfeld, insbesondere nach den Veränderungen im Vereinigten Königreich und in Südeuropa.
Gleichzeitig kündigte Roth den Start von Peak Accelerator an, einer neuen, vom Finanzministerium finanzierten Plattform zur Unterstützung von Start-ups, die digitale Lösungen für die Fondsbranche entwickeln. Das Ziel: die vollständige Digitalisierung des Fonds-Ökosystems. Der Accelerator wird Start-ups, Vermögensverwalter und Technologieunternehmen zusammenbringen.
Ein weiteres wichtiges Element ist die KI- und Fintech-Konferenz im Jahr 2026, auf der die Strategie der Regierung zur Integration von KI in den Finanzsektor vorgestellt werden soll. Die Vorbereitungen sind bereits im Gange: Das luxemburgische House of Financial Technology richtet ein KI-Erfahrungszentrum ein, das mit dem Programm AI Factory zusammenarbeiten wird.
Roth wies darauf hin, dass Luxemburg das erste Land in der Eurozone war, das ein digitales Finanzzertifikat ausgestellt hat, das die Transaktionszeiten verkürzt und die Transparenz und Zuverlässigkeit für die Anleger erhöht. Für die Zukunft plant das Schatzamt die Ausgabe eines digitalen Haushaltsplans, um seine Rolle als Vorreiter in der digitalen öffentlichen Verwaltung zu festigen.
Vor dem Hintergrund der Überlegungen der EU zur Vertiefung der Kapitalunion betont der Minister, dass die Flexibilität, die Effizienz der Aufsichtsbehörde CSSF und die Reaktionsfähigkeit des luxemburgischen Parlaments es dem Land ermöglichen, bei der Anpassung der europäischen Gesetzgebung Vorreiter zu bleiben. Gemeinsam mit Frankreich und Spanien arbeitet Luxemburg bereits an Mechanismen, um Ersparnisse in Investitionen zu lenken, insbesondere in KMUs, die durch neue Rentensparpläne unterstützt werden sollen.
Der Minister deutete künftige Steuererleichterungen für die private Altersvorsorge (die dritte Säule) an, betonte jedoch, dass diese nicht das obligatorische öffentliche System ersetzen würden, das aus Gründen der Nachhaltigkeit aktualisiert werden müsse.
Auf Fragen zu den Versuchen der EU, die Finanzaufsicht zu zentralisieren, sagte Roth, Luxemburg unterstütze die Harmonisierung durch Konvergenz der Praktiken, sei aber gegen die Schaffung einer einzigen Aufsichtsbehörde. Er betonte, dass die CSSF eine hervorragende Arbeit bei der Überwachung auch komplexer Strukturen leiste. Die wahre Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit sei jedoch die Brüsseler Bürokratie, und hier werde Luxemburg die "Stimme der Vernunft" sein.