Luxemburg baut die Wissenschaft der Zukunft auf: Investitionen, KI und Talentbindung

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In einem Interview mit Paperjam erläuterte die luxemburgische Ministerin für Forschung und Hochschulwesen, Stéphanie Obertin, die Prioritäten der Wissenschaftsstrategie der Regierung, die das Großherzogtum zunehmend zu einem Zentrum des Wissens und der Technologie macht.
Das Hauptaugenmerk liegt heute auf der Entwicklung künstlicher Intelligenz, die nicht nur effizient, sondern auch ethisch, transparent und ressourcenschonend sein soll. Eines der wichtigsten Projekte ist 4LM, das auf die Einführung von KI im Bereich der Regulierung abzielt. Es soll Verwaltungsaufgaben sowohl für Bürger (z. B. bei der Steuererklärung) als auch für Unternehmen (Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung) erleichtern und sogar Gesetzgebungsverfahren vereinfachen. Dies ist Teil eines groß angelegten technologischen Kurses, der gleich drei miteinander verknüpfte Bereiche abdeckt: KI, Arbeit mit Daten und Quantentechnologien. Diese Bereiche sind in Regierungsstrategien verankert, die in Zusammenarbeit von vier Ministerien entwickelt und im Mai 2025 verabschiedet wurden.
Darüber hinaus liegt ein starker Schwerpunkt auf der Bildung. Die Universität Luxemburg und das Forschungsinstitut LISER arbeiten an Big-Data-Analysen, um den Bedarf des Arbeitsmarktes vorherzusagen. Es gibt auch Forschung zu den Themen Inklusion, Gleichstellung, Bildungspolitik und Technologie. Außerdem gibt es das LMDDC (Luxembourg Media and Digital Design Centre), das als digitales Lernzentrum gegründet wurde und innovative Plattformen und digitale Lösungen für das gesamte Bildungssystem entwickelt.
Auch die medizinische Forschung wird in Luxemburg aktiv vorangetrieben. Die 2022 eröffnete LCTR-Fürschungsklinik war eine gemeinsame Initiative mehrerer Krankenhäuser und Institute und dient nun als Brücke zwischen Laborentwicklung und klinischer Praxis. Hier werden personalisierte Diagnose- und Behandlungsmethoden für chronische Krankheiten, darunter Krebs, neurodegenerative und Autoimmunerkrankungen, entwickelt.
Auf die Frage, ob das Land über genügend Wissenschaftler verfügt, um all diese Ambitionen zu verwirklichen, antwortet Stéphanie Obertin: Ja, aber mehr ist möglich. Derzeit arbeiten rund 3.000 Forscher in Luxemburg, und 70 Prozent der Master- und PhD-Absolventen bleiben im Land - eine im weltweiten Vergleich gute Zahl. Das Land wirbt aktiv um ausländische Fachkräfte, indem es qualitativ hochwertige Forschungszentren unterhält und wettbewerbsfähige Bedingungen bietet. Die Stiftung für nationale Forschung (FNR) verwaltet die Programme Pearl und Attract: Ersteres lädt erfahrene Wissenschaftler ein, letzteres junge Forscher, die ihr Team aufbauen wollen. Die Unterstützung kann sich auf bis zu 2 Millionen Euro belaufen, und es ist geplant, jedes Jahr bis zu zwei Projekte zu finanzieren. Darüber hinaus beteiligt sich Luxemburg an der Initiative Euraxess, die die Mobilität von Wissenschaftlern in Europa unterstützt, und nutzt die Plattform Research Luxembourg für die internationale Förderung.
Die Hochschulbildung spielt auch eine wichtige Rolle bei der Gewinnung und Bindung von Talenten. Seit 2025 ist ein Kompetenzzentrum in die Universität integriert, das die Möglichkeiten für kontinuierliches Lernen erweitert. Dies ermöglicht nicht nur die Anpassung von Fachkräften an den sich schnell verändernden Arbeitsmarkt, sondern auch die Gewinnung neuer Fachkräfte. Die Universität entwickelt Programme in den Bereichen, die von der Wirtschaft nachgefragt werden: Dienstleistungen, Ingenieurwesen, Gesundheitswesen, IT, einschließlich neuer Masterabschlüsse in Cybersicherheit, High Computing und Data Science. Dank der gleichen Bedingungen für europäische und nichteuropäische Studierende zieht die Universität viele Ausländer an: 57 Prozent der Studierenden kommen von außerhalb Luxemburgs, davon 20 Prozent von außerhalb der EU.
Auf die Frage nach der Abwanderung von Wissenschaftlern aus den USA aufgrund politischer Instabilität betonte Stéphanie Obertin: Luxemburg betreibe keine aktive Abwerbung, habe aber eine Zunahme der Anfragen von US-Forschern festgestellt.
Darüber hinaus ist es wichtig, nicht nur Wissen zu schaffen, sondern es auch in wirtschaftlichen Wert umzusetzen. Zu diesem Zweck wurde eine Strategiegruppe für Technologietransfer (TTSG) eingerichtet, der Vertreter von Ministerien, Gründerzentren und Forschungseinrichtungen angehören. Ihre Aufgabe ist es, Hindernisse für die Gründung von Spin-offs und Start-ups auf der Grundlage wissenschaftlicher Entwicklungen zu beseitigen, Unstimmigkeiten im Recht des geistigen Eigentums zu beseitigen und ein transparentes System aufzubauen, das für die Industrie attraktiv ist. Dabei geht es nicht um die Zahl der Patente, sondern darum, die Ergebnisse in ein funktionierendes Unternehmen zu verwandeln, das Arbeitsplätze schafft.
Darüber hinaus bleibt die Datenverwaltung ein zentrales Thema. Der im Juni 2024 eingeführte Gesetzentwurf Nr. 8395 sieht eine zentralisierte Architektur für die Verwaltung des Zugangs zu Daten ohne physische Zentralisierung vor. Auf diese Weise bleiben die Daten bei den Eigentümern, werden aber in einer sicheren Umgebung zur Verfügung gestellt. Dies schafft Flexibilität und macht Luxemburg attraktiver als andere Länder.
Für die kommenden Monate sind zwei wichtige Reformen geplant: die Aktualisierung des Gesetzes über die FNR, die nicht mehr nur Zuschussgeber ist, sondern sich auch aktiv an der Kommerzialisierung der Wissenschaft beteiligt, und die Reform des Systems der finanziellen Unterstützung für Studenten. Es werden Diplompreise eingeführt, Mobilitätsstipendien und Zinszuschüsse erhöht.
So entwickelt sich das wissenschaftliche Ökosystem Luxemburgs mit hoher Geschwindigkeit. KI, Quantentechnologien und Medizin sind keine Schlagworte, sondern funktionierende Werkzeuge. Und hinter den ehrgeizigen Strategien stehen konkrete Maßnahmen: Anwerbung von Wissenschaftlern, internationale Stipendien, Gesetzesreformen und Aufbau von Kanälen, um die Wissenschaft in ein Unternehmen zu verwandeln.